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Die Küchenchoreografen 

 

VON RAINER JURIATTI

Seine Eltern gelten als Strudelpäpste der Steiermark. Sein Handwerk hat er bei einem Haubenkoch erlernt und unter vielen anderen Haubengekrönten der Branche perfektioniert. Geerdet ist er dabei immer geblieben, ein Koch mit Herz und Verstand wie er im Buche steht. – Ein Besuch bei Hannes Michetschläger, Chefkoch des bekannten Rondo am Grazer Marienplatz.  

 
 

Wenn er nicht kocht, dann fährt er “leidenschaftlich Rad“, wie er sagt. Doch jetzt, jetzt steht er hinter dem”Pass“, so nennt sich die Durchreiche zwischen Küche und Service. Er lächelt, als ich den winzig anmutenden Raum betrete und grüßt mich freundlich. „Ach, heute kommst du“, sagt er. Es klingt, als käme ich ungelegen. „Der Jimmy ist Vater geworden“, erklärt Hannes, „also bin ich heute allein, schade“. Hannes hätte mir seinen Souschef gerne vorgestellt. Denn mehr Köche gibt es nicht. Außer, der Chef des Hauses, Andreas Rosmann, greift selbst zum Kochlöffel. Er wird es während meines Besuches noch tun. Andreas mimt den Springer. Doch dazu später. 

Hannes hievt eine Palette Salat auf die Anrichte. Im Hintergrund stehen die Kasserolle mit Teilen des geplanten Mittagsmenüs parat. “Faschierter Braten mit Kartoffelpüree“ ist auf der Karte zu lesen. Alternativ wird „Penne mit Gorgonzolarahmsauce, Trauben und Nüssen“ angeboten. Dazu der Salat, den Hannes gerade schneidet. Auf meine Frage nach den Vorbereitungen erläutert der versierte Chefkoch das gesamte Mise en Place: Alles steht bereits an seinem Platz, griffbereit. Noch eine Stunde bis zum Mittagsgeschäft.

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Hinter der Fassade 

Mit dem Rondo verbindet mich keine zunächst kulinarische Erfahrung. Vor mehr als dreißig Jahren nämlich arbeitete ich mit dem Chef des Hauses in Kärnten. Er ein Praktikant, ich ein Absolvent ohne Orientierung. Er in der Küche, ich als Surflehrer und abends als Kellner. Eine Gastrofreundschaft, die sich verlief, wie viele Freundschaften in diesem Gewerbe sich verlaufen. Als wir nach Graz kamen, erinnerte ich mich an „Rossi“, wie wir ihn nannten. Ich fand ihn nicht. Doch er irgendwann mich. Das Rondo kannte ich. Von Außen. Die Fassade wirkte wie ein hippes Szenelokal. Also bin ich nie hineingegangen. Doch dahinter verbirgt sich eine aufrichtige, regional orientierte Küche mit enormer Produktqualität. Als meine Frau und ich schließlich das erste Mal bei Andreas zu Gast waren, fragte ich am Ende – zögerlich und unsicher – ob er gar ein Haubenlokal betreibe? Ich erinnere mich gut an das Lächeln des Chefs und seine Bemerkung, er wisse nicht, ob ein Tester schon einmal da gewesen sei. Das Essen war hervorragend gewesen. Wer kann so kochen? fragte ich mich. 

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Das Rondo ist bekannt für seine Burger. Doch das Signature Dish, die Visitenkarte des Chefkochs, das ist die toskanische Fischsuppe. In einem großen Topf steht der Fischfonds bereit. „Den setze ich regelmäßig an“, erklärt Hannes, „und in der Endfertigung folgt das Übliche: das Paprizieren, das Tomatisieren, die Beigabe der mediterranen Gemüsesorten …“. Dann lächelt er. „Und so weiter.“ Ich verstehe. Mehr soll hier nicht erzählt werden über seine Visitenkarte.  

Haubentour  

“Aufgewachsen bin ich wörtlich in der Küche meiner Eltern, im Strudlwirt in Fischbach“, erzählt Hannes. „So habe ich von Anfang an immer gerne gekocht. Meine Mutter hat mir alle Grundlagen beigebracht, immer dann, wenn wir für uns privat am Herd standen. Und mit 14 Jahren hat mein Vater mich gefragt, was ich beruflich eigentlich machen möchte“. Hannes lacht. „Da ich mir neben dem Beruf des Kochs auch Tischler vorstellen konnte, schnupperte ich in einem Betrieb und wusste nach einer Woche, dass da der Funke nicht übergesprungen ist. So blieb die Küche bis heute mein Zuhause“.  

Gelernt hat Hannes beim inzwischen pensionierten Grazer 2-Hauben-Urgestein Franz Schauer. Gleich darauf wurde er als Souschef in mehreren Häusern engagiert. Beim Schlosswirt in Klagenfurt beispielsweise. Und dann im Palais Hotel Landhaushof. Auch in Klagenfurt. „Das war etwas Besonderes“, erzählt Hannes, „mit 21 Jahren Souschef zu sein und damit für 28 Köche zuständig. Wir hatten eine Haube und betrieben zwei Restaurants“. Bald darauf führte ihn sein Weg in die Schweiz. „Auch dort“, sagt der heute 35-Jährige, „konnte ich einer besonderen Leidenschaft nachgehen. Ich arbeitete im Schützen in Lauterbrunnen, einem Haus mit eigener Jagd. Die Wildküche mag ich besonders und dort hatte ich die Gelegenheit, alles darüber zu lernen“. Nach einer weiteren 3-Hauben-Erfahrung am Arlberg führte ihn sein Weg zurück nach Graz, ins Casino und als Küchenchef ins Kitchen 12. Eine besondere Souschef-Station sieht Hannes Michetschläger noch heute im Jaglhof in Gamlitz. „Ich sagte immer: Sollte ich einmal heiraten, dann wird es im Jaglhof sein.“ 

“Geheiratet habe ich dann tatsächlich dort“, lächelt der Vater eines Sohnes. „Doch nach 12 Jahren Haubenküche war ich etwas müde geworden und orientierte mich vollkommen neu.“ Das schließlich hat ihn ins Rondo geführt, wo er alle seine Ambitionen erfüllt sieht. Seit 2011 verantwortet er hier die Speisekarte, schreibt die Tagesmenüs und stellt die konsequent saisonal geprägten Angebote zusammen. „Das Jahr hat viel zu bieten“, sagt er, „vom Spargel über die Pilzsaison bis hin zum Bärlauch und zum Wild, dazu die unzähligen Gemüse- und Salatvarianten, die wir ganz klassisch auf dem Bauernmarkt kaufen. Das Fleisch liefern verschiedene Bauern, da legen Andreas und ich großen Wert darauf“. Einem Stichwort gleich grüßt uns ein Bauer, der Hannes einige Flaschen Kernöl liefert. Wir lächeln. „So geht das.“ 

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Alles in Bewegung 

Vertieft in unser Gespräch habe ich nicht bemerkt, dass der Hackbraten bereits fertig ist, die Penne vorbereitet sind, dass inzwischen Katharina die Küche betreten hat, um dem Chefkoch unter die Arme zu greifen, dass die Teller und Tassen vorbereitet unter dem Rotlicht stehen, die Nüsse gehackt sind, die frischen Trauben geschnitten und nicht zuletzt, dass die ersten Bestellungen aus dem kleinen Drucker rattern. Innerhalb weniger Minuten läuft das Mittagsgeschäft an. Rund 120 Unternehmer, Angestellte und Arbeiter werden innerhalb der nächsten rund 75 Minuten zufriedengestellt. Neben den zwei Menüs werden unzählige á la carte Gerichte über den Pass wandern, werden Teller dekoriert, Desserts drapiert, Salate abgeschmeckt. 

Ich verharre still in einer Ecke. Auf den gefühlten 18 Quadratmetern fügt sich ein Team von sechs Menschen wie Teile eines Puzzles zusammen. Niemand steht auch nur eine Sekunde einem anderen im Weg. Andreas, der dauerhaft schweigende Chef des Hauses, steht in der einen Sekunde am Grill, in der anderen am Salat, dann sehe ich ihn im Service und sofort darauf schiebt er einen fertigen Burger unter das Rotlicht. Zugreifen. Händewaschen. Zugreifen. Händewaschen. Eine nahezu poetische Choreografie gelebten Gastgewerbes spielt sich hier hab. Alles geschieht, als wären tatsächlich Magier am Werk, angewiesen durch Hannes, der uneingeschränkten Zentralfigur dieses Schauspiels. Elma, Wolfgang, Katarina, Andreas und Andreas: ein eingespieltes Team.  

Beim Gehen lächle ich über den pragmatischen Slogan des Hauses: „Rondo. Essen und Trinken.“ So einfach also wird es kommuniziert, dieses küchenchoreografische Zusammenspiel aller Sinne.